Einleitung: Wenn ein General zum Dissidenten wird
Der Name Harald Kujat fällt immer dann, wenn es in Deutschland um Krieg, Frieden und Verantwortung geht. Ein Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung in der militärischen Führung, der sich heute als kritische Stimme gegen den Strom stellt – das ist keine gewöhnliche Biografie, sondern ein Spiegel der politischen Zerrissenheit unserer Zeit. Kujat war Generalinspekteur der Bundeswehr, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses – und nun ist er jemand, der sich öffentlich gegen Waffenlieferungen stellt und für Dialog plädiert. Dieser Artikel folgt nicht nur dem Lebenslauf eines hochrangigen Militärs – sondern der Metamorphose eines strategischen Kopfes zum unbequemen Denker.
Die Karriere eines Systemstrategen
Geboren 1942 im heutigen Polen, begann Harald Kujat seine Laufbahn in einer Nachkriegswelt, die vom Kalten Krieg geprägt war. Als er in den 1960er-Jahren der Bundeswehr beitrat, war Verteidigung noch eindeutig Ost gegen West definiert. Kujat arbeitete sich klug und geradlinig nach oben, wurde Stabschef, Militärberater, schließlich Generalinspekteur. Später vertrat er Deutschland auf NATO-Ebene – kein Geringerer als der höchste Militärberater des Bündnisses. Doch das ist nur die halbe Geschichte.
Generalinspekteur: Militär und Macht im Gleichgewicht
In seiner Zeit als Generalinspekteur der Bundeswehr (2000–2002) galt Kujat als analytischer Taktiker. Er koordinierte Auslandseinsätze, pushte Reformen und blieb dabei stets loyal gegenüber den politischen Vorgaben. Wer ihn aus dieser Zeit kennt, beschreibt ihn als durchsetzungsstark, aber nie impulsiv. Doch genau dieser strategische Blick – nüchtern, rational, langfristig – sollte ihn später zur Ausnahmefigur in der deutschen Debattenkultur machen.
NATO-Rolle: Der Deutsche an der Spitze
Von 2002 bis 2005 führte Harald Kujat den Militärausschuss der NATO – ein Posten, der selten öffentlich diskutiert, aber enorm einflussreich ist. Als Vorsitzender war er der erste Ansprechpartner aller NATO-Generalstäbe. Es war die Zeit nach 9/11, vor dem Irakkrieg, mitten im Umbau der Weltordnung. Kujat sprach von Bündnistreue, aber auch von Zurückhaltung. Schon damals warnte er intern vor dem Überschreiten strategischer Grenzen – besonders gegenüber Russland. Jahre später sollten diese Warnungen erschreckende Aktualität gewinnen.
Rückzug vom Dienst, nicht vom Denken

2005 ging Kujat in den Ruhestand. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen verabschiedete er sich nicht in die Stille. Im Gegenteil: Der Ex-General blieb sichtbar – als Kommentator, als Redner, als Interviewpartner. Er wurde nicht zum Parteisoldaten irgendeiner Richtung, sondern zum unabhängigen Analysten, der unbequem blieb – für Rechte wie für Linke. Seine Auftritte in Talkshows und Artikeln wirkten stets wie ein Weckruf: durchdacht, präzise, unaufgeregt – aber auch: kontraintuitiv.
Der Ukraine-Krieg: Kujats öffentliche Wende?
Seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022 steht Harald Kujat im Zentrum der Kontroverse. Während große Teile der Politik und Medien Waffenlieferungen an Kiew befürworteten, warnte Kujat vor Eskalation. Nicht, weil er Russland unterstütze – sondern, weil er das strategische Gesamtbild betonte. “Man kann keinen Krieg gewinnen, ohne vorher das Ziel zu definieren”, sagte er in einem Interview. Für manche war das zu verständnisvoll gegenüber Moskau. Für andere: endlich jemand mit Verstand. Kujats Thesen polarisieren – gerade deshalb werden sie gelesen.
Zwischen Talkshows und Tabubruch
Ob bei Lanz, im Deutschlandfunk oder in unabhängigen Formaten – Kujat bleibt präsent. Seine Tonlage ist ruhig, aber seine Botschaft ist brisant: Waffen lösen keine Konflikte, sondern verlängern sie. Diplomatie sei kein Zeichen von Schwäche, sondern von strategischer Klugheit. Damit macht er sich angreifbar – und doch wirkt er wie jemand, der sich bereits innerlich befreit hat vom Zwang, es allen recht machen zu müssen. Was ihn unterscheidet: Er spricht nicht in Parolen, sondern in Parametern.
Was treibt Harald Kujat an?
Vielleicht ist es genau seine Biografie, die ihn zum Mahner macht: Jemand, der Jahrzehnte im Militär verbracht hat, weiß, was Krieg bedeutet. Kujat kennt die Sprache der Generäle – und die der Zivilgesellschaft. Er bewegt sich zwischen den Welten, ohne eine zu verraten. Seine Haltung basiert nicht auf Ideologie, sondern auf Erfahrung. Gerade deshalb wirkt sie in einer polarisierten Welt fast revolutionär.
Feindbild oder Vorbild?
Für manche Medien ist Kujat zum Lieblingsgegner geworden: ein Ex-General, der zu wenig Härte zeigt. Für andere ist er ein Vorbild – weil er es wagt, leise Töne zu setzen, wo andere lautstark eskalieren. Wer ihn kritisiert, unterschätzt vielleicht: Harald Kujat Vorschläge sind nicht naiv – sie sind unbequem, weil sie Alternativen aufzeigen. Und wer Alternativen aufzeigt, muss mit Gegenwind rechnen.
Ein Fazit ohne Lösung, aber mit Haltung
Harald Kujat ist kein Friedensapostel und kein Kriegshetzer. Er ist ein Analytiker, der auch im Ruhestand Verantwortung übernimmt. In Zeiten emotional aufgeladener Debatten ist das selten – und wertvoll. Seine Biografie zeigt: Erfahrung verpflichtet. Seine Gegenwart zeigt: Haltung ist nicht verhandelbar. Ob man ihn mag oder nicht – man muss sich mit ihm auseinandersetzen.
FAQ (Häufig gestellte Fragen)
Wer ist Harald Kujat?
Ein ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, heute kritischer Kommentator.
Welche Meinung vertritt Kujat zum Ukraine-Krieg?
Er warnt vor Eskalation, plädiert für Verhandlungen und kritisiert pauschale Waffenlieferungen.
Warum ist Harald Kujat umstritten?
Weil er öffentlich Positionen vertritt, die vom politischen Mainstream abweichen – ohne populistisch zu sein.
War Kujat in der Politik?
Nein, er war stets Soldat und militärischer Berater – aber nie Parteimitglied.
Wo tritt Kujat heute auf?
In Interviews, Talkshows, sicherheitspolitischen Foren und Fachpublikationen.
Hat Kujat Verbindungen zu Russland?
Nein. Seine Positionen basieren auf Analyse, nicht auf Nähe zu Russland.
Ist Kujat pazifistisch?
Nein. Er ist ein realistischer Stratege, der Krieg als letztes Mittel begreift.